Swetlana Schtscherbin war noch nicht einmal ein Jahr alt, als im ukrainischen Atomkraftwerk in Tschernobyl die Katastrophe passierte. Swetlana ist heute 25 Jahre, studierte Deutsch, Englisch und Italienisch. Sie arbeitet in Weißrussland bei der Firma Zeiss und engagiert sich ehrenamtlich für die Caritas Minsk. In ihrem Urlaub kam sie über die Auslandscaritas Linz 2 Wochen nach Oberösterreich und erzählte in Schulen und Pfarren über das Leben „nach Tschernobyl“ in ihrer Heimat. Als Jugendliche sprach sie auch „unsere“ Jugendlichen an. Sie erzählte von ihrer besten Freundin, die vor 2 Jahren an Schilddrüsenkrebs gestorben ist. „Kein Mensch kann nachweisen, ob sie ein „Opfer“ von Tschernobyl ist“ – gibt sie zu bedenken. „Das ist eine Frage der Sichtweise“. Sie antwortet auf die Fragen einer Schülerin: „Auch ich weiß nicht, wie viel Radioaktivität ich in meinem Körper habe“. Das macht betroffen. Aber sie erzählt auch von der Dankbarkeit der Menschen und den Hilfsprojekten der Auslandscaritas Linz und des Landes OÖ für behinderte, alte oder bedürftige Menschen und verdeutlicht alles mit Fotos. Unsere SchülerInnen waren stolz, als sie auf den Fotos vor den gespendeten Häusern in Minsk oder Gomel den Bischof und den Landeshauptmann erkannten. Sie fühlten nach, was Spenden auch bewirken können.
Für Swetlana war das Vortragen bzw. die Fragen unserer SchülerInnen auch eine interessante Erfahrung: Während die Erstklassler fragten, „warum denn das Radio nicht gleich das alles ehrlich gesagt habe“ oder ob Radioaktivität auch „ansteckend“ sei, fragten die Oberstufler, warum Swetlana so viele Sprachen spricht und einen iPod hat. Sie lauschten, als sie einen Anruf in Weißrussisch mithörten und wir erfuhren, dass es in Minsk gerade minus 24 Grad kalt ist. „Wie kann man da in so einfachen Holzhäusern (die wir auf den Fotos sahen) leben, wenn es so kalt ist?“ fragten wir gleich. „ Es ist ja nicht immer so kalt“- antwortete sie lapidar. Angesicht der Fotos und der Tatsachen sind wir beeindruckt, wie sie dennoch Lebensfreude ausstrahlt. Sie ist dankbar, dass ihre Familie gebildet ist (Vater ist Koch und Mutter Ingenieurin) und „von allem genug“ hat. „Nach der Atomexplosion haben meine Eltern die Gefahr kapiert und meine Mutter ist mit mir 2 Monate zu meiner Tante weiter weg nach Russlang gezogen. Das konnte nicht jeder!“ In einer Klasse angesprochen, was man tun könnte, um eine solche Katastrophe zu verhindern, spricht sie auch ganz politisch: „Ihr habt doch in Österreich bald so ein Volksbegehren gegen die Atomlobby!“
Sie und andere Jugendliche in Weißrussland interessieren sich aber auch, wer am Eurovisions- Song Contest teilnimmt oder wer Dancing Stars und die Millionenshow gewinnt.
Es beeindruckt, wie ein „Tschernobylkind“ als junge Erwachsene die verschiedenen Welten erlebt, analysiert, und uns nahe bringt.
Aktion „Menschenbilder“ – das war es: Ein gebildeter Mensch, der unsere SchülerInnen animierte, sich ein – durchaus kritisches – Bild von Atomkraft, anders leben und Motivation zum Helfen zu machen. Eine sinnvolle Allgemeinbildung!
Mag. Reinhilde Spiekermann