Philipp Kroiss, Absolvent unserer Schule, Maturajahrgang 2005/06, hat eine ganz besondere Karriere gemacht: Schon als Schüler war er ein hervorragender Volleyballer, der viele Erfolge für sich verbuchen konnte. Inzwischen war er 77-mal im Einsatz für das österreichische Volleyball-Nationalteam, 2013 wurde er Österreichischer Meister, heute spielt er in Montpellier. Neben seiner Sportlerkarriere beschäftigt er sich mit einem philosophischen Fernstudium.
Wie er seine Schulzeit als „Lauter-Einser-Kandidat“ im b[r]g Enns heute sieht, beschreibt er in einem Text, den er freundlicherweise für uns verfasst hat.
„Zurück in die Gegenwart“
Zwischen Strebsamkeit und Zurückhaltung:
„Ich habe dich immer als sehr bescheiden, zurückhaltend, beinahe verschämt erlebt. Du wolltest zwar gut sein, damit aber nie auftrumpfen. Sehe ich das richtig? Vielleicht bestimmt dieses Verhalten auch dein heutiges Leben?“
Interessante Worte von Frau Mag. Gabriele Riess über meine Wenigkeit. Sie wollte mir damit einen Anstoß geben, um ein paar Zeilen darüber zu schreiben, was aus mir geworden ist seit meiner Matura im Sommer 2006 und wie ich heute auf die Schulzeit zurückblicke.
Sie sollte wissen, wovon sie redet, war sie doch acht Jahre lang mein Klassenvorstand und meine Deutsch-Professorin am BRG Enns. Und ja, ich kann mich zum Teil wiederfinden in der kurzen Beschreibung, obwohl ich bisher nicht wusste, dass das Adjektiv „verschämt“ existiert. Da mir Freund Duden aber gerade erklärte, dass es für „schüchtern“ und „zaghaft“ steht, bin ich auch damit einverstanden.
Und genau so zurückhaltend und zaghaft versuche ich nun einen guten Text zu schreiben über mich, die Schule und das Leben danach, ohne aufzutrumpfen, mich verschämt im Hintergrund haltend…
Natürlich völliger Unsinn diese Behauptung, denn allein indem man sich selbst zum Subjekt der Betrachtung macht, noch dazu um anderen als positives Beispiel zu gelten, kann man sich dem Vorwurf eines gewissen Stolzes bis hin zur Selbstverliebtheit nicht erwehren. Doch damit kann ich leben.
Einser-Schreiben und Volleyball-Spielen:
Ich sitze also hier in Montpellier, Südfrankreich, auf der Terrasse meiner neuen Wohnung, die der Verein zahlt, mit Blick auf die mit reichlich Grün durchzogene Stadt sowie auf mein Auto, welches der Verein zahlt, und tippe diese Worte auf meinem Laptop, welchen ich mir vom Geld gekauft habe, das mir der Verein für meine Volleyballkünste zahlt. Klingt protzig. Ist es auch. Doch was ich damit sagen will: Ich kann von meiner Leidenschaft leben und dadurch bin ich unheimlich privilegiert. – Leider vergesse ich es oft, denn auch das liegt in meiner Natur.
Schon in meiner Schulzeit war ich nur nach außen hin bescheiden, in mir drinnen brodelte es ständig und lediglich der kontinuierliche Erfolg in Schule und Sport, konnte mich wiederholt befriedigen.
Rein in die Schule – zwar stets spät aber nie verspätet – um vom ersten bis zum letzten Läuten brav die Lehrer glücklich zu machen, Plus zu sammeln und Einser zu schreiben. Nach dem Unterricht heim zu Mama, Hausübungen machen, bisschen lernen und danach weiter ins Volleyball-Training, wo ich ebenfalls verbissen immer der Beste sein wollte. Vom Training nachhause, noch etwas Fernsehen oder Internet-Surfen und ab ins Bett. So sahen sie aus die acht Jahre Gymnasium. Natürlich hatte ich in der Schule Spaß am Unterricht und mit meinen Freunden. Genau so habe ich im Volleyball jedes Training und das Zusammen-Sein mit den Teamkollegen ständig genossen. Ich wurde nie zu irgendetwas gezwungen, dieser Drang zur Perfektion war einfach ständig in mir und ich bereue nichts. Dennoch denke ich im Nachhinein, dass es teilweise eine zu große Verbissenheit war, die ich an den Tag legte.
Natürlich kann man sagen, dass ich ohne diese fast schon krankhafte Zielstrebigkeit im Volleyball vielleicht nicht dort angelangt wäre, wo ich bin, als Profi im Ausland in einer Sportart, die in Österreich sehr klein und wenig gefördert ist. Nur wenige österreichische Volleyballer können von ihrem Job leben, die Auslandslegionäre sind jährlich an einer Hand (maximal zwei) abzählbar und man muss schon außergewöhnliche Leistungen bringen, damit „Scouts“ aus anderen Ländern, in welchen der Volleyball viel größere Tradition und höheren Stellenwert hat, als bei uns, auf dich aufmerksam werden.
Doch diese zielstrebige Verbissenheit kann oft auch genauso gut tödlich sein. Sie blockiert, macht blind für das Rundherum, für die Dinge außerhalb des einen, für dich gewählten Universums. Sie raubt dir den Schlaf und erschafft ein eigenes Werte-System in deinem Kopf, das mit Abstand gesehen lächerlich bis furchterregend sein kann.
Im Volleyball, wo die mentale Komponente im Vergleich zu anderen Sportarten um ein Vielfaches bedeutender ist und du einen schlechten Tag durch mehr Laufen oder mehr Kämpfen nicht kompensieren kannst, wie zum Beispiel im Fußball, habe ich immer dann die größten Leistungssprünge gemacht, wenn ich mich aus der Illusion, immer gewinnen zu MÜSSEN, immer der Beste sein zu MÜSSEN, befreien konnte. Wenn ich mir darüber klar wurde, wie großartig es ist, von meiner Leidenschaft leben zu können, wöchentlich den Kick zu spüren, in ein Spiel hineingeworfen zu werden, dessen Ausgang ich zuvor nicht weiß, ich aber bedeutend beeinflussen kann. Und das Ganze noch dazu vor mehreren hundert bis mehrehren tausend Zuschauern.
Worum es in der Schule NICHT geht:
Schade, dass ich diese Lehre erst Anfang 20 zog, denn auch oder gerade in der Schulzeit hätte ich enorm von ihr profitiert.
Es geht NICHT darum, Einser zu schreiben. Es geht NICHT darum, ständig nur die Lehrer glücklich machen zu wollen. Jetzt im Nachhinein bedeuten mir meine „Lauter Einser“ in jedem einzelnen Zeugnis der acht Jahre Gymnasium genau gar nichts mehr (und ich konnte nebenbei bemerkt auch nie daraus Profit schlagen). Ist man solch ein „Lauter-Einser-Kandidat“, hat das nicht unbedingt mit Intelligenz zu tun. In meinem Fall war es eine Mischung aus durchschnittlicher Grundbegabung, großem Wissensdurst, Perfektionsdrang (welcher bei mir wie gesagt im Überfluss vorhanden war/ist), Fleiß und Know-How. Vor allem das Know-How ist nicht zu unterschätzen;
Tipp 1: Lerne vor allem für das Fach, in welchem die Wahrscheinlichkeit am nächsten Tag zur Stundenwiederholung ausgewählt zu werden, am größten ist.
Tipp 2: Baue in einen Deutsch- oder Englisch Essay vor allem jene Argumente ein, von denen du weißt, dass sie dein Lehrer gern hört, anstatt einfach zu sagen, was du dir wirklich denkst.
Tipp 3: Schreib in einer Stunde mit einem Professor, der sich am liebsten selbst reden hört, ohne die Schüler allzu sehr mit einzubinden, noch schnell deine Hausübung, die in der nächsten Stunde abgegeben werden muss.
Tipp 4: Schinde bei neuen Lehrern gleich am Anfang Eindruck, damit du von Beginn an als Leuchte giltst, und dieser Eindruck beim Professor hängen bleibt, auch wenn du danach nicht mehr ganz so viel tust. (Bei einem Lehrer kam ich so tatsächlich in vier langen Jahren außer im ersten Semester kein einziges Mal mehr zu einer Stundenwiederholung dran und schrieb auch keine einzige Hausübung mehr!)
Tipp 5 (absoluter Notfall!): Hattest du mal wirklich überhaupt gar keine Möglichkeit zu lernen, obwohl am Folgetag zwei Tests und zwei mündliche Wiederholungen anstehen, spiel deinen Eltern beim Frühstück Übelkeit vor und bleib im Bett. Ein ganzer Tag zuhause ist genug Zeit, um Versäumtes wieder aufzuholen.
Kniffe wie diese und vor allem sehr gute schriftliche Arbeiten, auf die ich mich hauptsächlich konzentrierte, führten letztendlich immer zum Ziel und waren das, wofür Schule bei mir stand. Vor der mündlichen Mitarbeit hingegen scheute ich mich, ja fürchtete ich mich fast, weil ich zwar meine Einser wollte, das Image des „Strebers“ hingegen nicht und ich das Diskutieren
im Unterricht damals dummerweise als Wichtigtuerei und Selbstdarstellung in ihrer Reinform verstand.
Obwohl ich ein Musterschüler war, was die Noten betrifft, verstehe ich heute, dass viele von meinen Wegbegleitern, welche sich – teilweise mehr, teilweise weniger – von Schulstufe zu Schulstufe quälten, die Institution Schule um vieles besser genutzt haben, als ich.
Denn was bringt es mir jetzt schon, dass ich mir einen Tag vor schriftlichen Tests in Geographie, Geschichte oder Chemie fünf bis zehn Seiten Stoff ins Kurzzeitgedächtnis gedroschen habe, anstatt wie andere lieber zuhause freiwillig ein Buch zu lesen, für das sie sich im Deutsch-Unterricht begeistert hatten, in Kauf nehmend, dass die Testnote am nächsten Tag dafür nicht ganz so gut sein wird?
Und war es nicht dumm, dass ich die angebotenen freiwilligen Vertiefungskurse in Mathematik oder Physik nicht angenommen habe, obwohl sie mich interessierten, lediglich weil mir so vielleicht Zeit für das Wiederholen der Englisch- oder Französisch-Vokabeln abgegangen wäre?
Und weshalb habe ich mich nicht wie meine Klassenkameraden intensiv und begeistert an den Diskussionen im Unterricht beteiligt, sondern lieber für einen Test in der nächsten Stunde gelernt oder eine Hausübung geschrieben, wodurch ich jetzt merke, wie wenig ich das Diskutieren beherrsche und wie ungern ich vor vielen Menschen spreche?
Und warum verdammt nochmal habe ich nicht ein Instrument gelernt, wie viele meiner Mitschüler, nur weil ich mir ständig einredete, dass die einzig zwei wichtigen und erstrebenswerten Dinge in meinem Leben die Einser im Zeugnis und die Siege im Volleyball sind und ich einfach keine Zeit habe, um mich auch noch mit anderem zu beschäftigen?
Lesen, Philosophie und Zen:
Ich sitze also hier in Montpellier, wo an 300 Tagen im Jahr die Sonne scheint, auf der Terrasse meiner neuen Wohnung und tippe. Normalerweise sitze ich hier und lese. Obwohl ich in der Schule die Motivation, freiwillig ein Buch in die Hand zu nehmen, so gut wie nie fand und – ich gestehe es, liebe Frau Professor Riess – mir den Inhalt und die Interpretation für Buchvorstellungen im Deutsch-Unterricht nicht selten im Internet zusammensuchte, ohne auch nur eine Seite des besprochenen Romans gelesen zu haben (womit wir wieder beim „Know-How“ wären!), kam ich gute drei Jahre nach der Matura und vor allem dank der langen Busfahrten zu Auswärtsspielen doch noch auf den Geschmack und entwickelte mich zur Leseratte.
Wie jeder Beruf hat auch der des Volleyball-Profis Vor- und Nachteile. Ein riesiger Vorteil ist die große Menge an Zeit, die man für sich selbst zur Verfügung hat. Auch an Tagen wo du zweimal zwei bis drei Stunden trainierst, hast du immer noch einige Stunden der Muße, welche du für dich verwenden kannst, ohne an deinen Beruf zu denken, ohne erreichbar sein zu müssen, in denen eigentlich nur von dir verlangt wird, dass du dich erholst und auch am nächsten Tag wieder fit bist, um alles zu geben. Stunden, die ich für mich nutze, in denen ich das unendliche Universum der Literatur entdecke, ein Buch lese, das mir gefällt, um am Ende der Lektüre schon wieder gierig auf drei neuen Titel zu sein, auf die ich während des Lesens stieß. Lesen für MICH, nicht für die Lehrer, ohne irgendeinen Hintergedanken an damit verbundenen Erfolg.
Oder ich stürze mich wieder ein bisschen in mein Philosophie-Fernstudium, welches mich ebenfalls schon länger begleitet. Weiter als bis zum Bachelor habe ich es noch nicht gebracht, ist mir aber auch nicht wichtig, denn auch hier habe ich nach zwei überladenen ersten Semestern verstanden, worum es letztendlich NICHT geht. Es geht NICHT um das High-Speed-Studieren ohne links und rechts sehen, um sich irgendwann mal Magister oder Doktor schimpfen zu dürfen. Die Philosophie ist für mich, so wie die Literatur, ein Ort geworden, an den ich mich gerne zurückziehe, um den Stress des Alltages zu vergessen, um Abenteuer zu erleben, um neue Gedanken und Ansichten kennenzulernen, um Probleme unserer Gesellschaft besser zu verstehen und um zu wachsen als Mensch.
Ich bin also mein eigener Lehrer, komme von einem Sachbuch über menschliches Versagen zu einem Drama von Max Frisch, von dort weiter zu einer Autobiographie eines großen Sportlers, beschäftigte mich während meines Schweizer Auslands-Engagements mit der Kultur der Eidgenossen, oder in Südkärnten, wo ich für Bleiburg spielte, mit den Problemen der „Kärntner Slowenen“, schreibe zwischendurch eine philosophische Hausarbeit über „Analytische Philosophie der Zeit“ , sammle Input für mein irgendwann mal zu realisierendes eigenes Buch und bin hier in Frankreich zuhause oft fleißig am Französisch lernen.
So geschah es auch, dass ich – angeregt durch ein Buch von Phil Jackson, einem der größten Basketball Trainer aller Zeiten – auf den Zen-Buddhismus stieß, dort lange hängen blieb und in Folge davon mittlerweile seit über einem Jahr den Verzicht auf Fleisch sowie die Meditation für mich entdeckt habe.
Wofür nun dieser Exkurs in mein kleines Universum?
Einerseits, um in etwa eine Idee von meinem täglichen Leben zu geben, andererseits und vor allem aber, weil, wie ich denke, meine heutige Herangehensweise ans Leben in krassem Gegensatz steht zu jener, welche ich während der Schulzeit praktizierte.
„Entwicklung“, „Offenheit“ und „das Jetzt“:
Die Dutzende Bücher welche ich gelesen habe, die verschiedenen Probleme, mit denen ich mich beschäftigte, die unterschiedlichen Orte, an denen ich für den Sport länger lebte, Erfolge und Misserfolge sowie Beziehungen und Bekanntschaften haben mich doch einigermaßen verändert in den letzten Jahren.
Natürlich sind erzählende Rückblicke in die eigene Vergangenheit immer auch Konstruktionen, bei denen wir gelernte Muster anwenden und kausale Zusammenhänge (er-)finden, um einen Lebenslauf nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Dessen bin ich mir bewusst. Und vielleicht täusche ich mich auch gerade, wenn ich so etwas wie einen Wendepunkt in meiner Einstellung und meinem Bewusstsein irgendwo in den letzten Jahren datieren möchte. Es war sicherlich auch mehr ein fließender Übergang. Dennoch scheint es mir tatsächlich so – Wahrheit hin oder her – , als wäre da oben in meinem Kopf etwas vor sich gegangen, das mir seither hilft, solider im Leben zu stehen und weniger getrieben zu sein.
Die Literatur lässt dich die Welt aus verschiedensten Blickwinkel kennenlernen, die Philosophie zeigt dir immer wieder aufs Neue – teilweise brutal – dass du nicht mehr als ein kleines Sandkorn in einem riesigen Universum bist, egal wie groß du dich gerade aufblasen magst und der Zen-Buddhismus leitet an zur Offenheit gegenüber allen und jedem, zur Anerkennung des Guten wie des Schlechten und vor allem zum Leben im Moment.
Meine Werte und Sichtweisen haben sich zu großem Teil durch diese drei Wegbegleiter (Literatur, Philosophie, Zen) im Laufe der letzten Jahre in vielen Bereichen markant verändert. Ich bin weit weg von einem Zen-Meister, der erhaben über allen Dingen steht und mit sich im Reinen ist. Ich verfalle nach wie vor oft in Phasen, an denen ich nicht mit dem zufrieden bin, was ich habe. Ich verbringe nach wie vor schlaflose Nächte, wenn ich in einem entscheidenden Spiel einen entscheidenden Ball vermasselt habe, so dass eine Niederlage zu großem Teil auf meine Kappe geht (Oft auch nicht so unverständlich, wenn dir der Präsident des Vereins, in dem du gerade spielst, nach dem Match in der Garderobe noch lautstark und in primitiv-ordinärem Ton erzählt was für ein Hosenscheißer du bist, und er dich fragt, wo du deine Eier gelassen hast und warum er überhaupt einen einzigen Cent ausgibt für dich!).
Dennoch sind es immer wieder vor allem drei Worte, auf die ich ständig zurückkomme in meinem Leben, die einen zentralen Platz einnehmen, die für das stehen, was ich bin, und mir helfen, mich neu zu orientieren, wenn ich mal versucht bin, vom Weg abzukommen.
Diese lauten „Entwicklung“, „Offenheit“ und „das Jetzt“.
Worum es in der Schule wohl eher geht:
Ich weiß nicht, worum es in der Schule für die Allgemeinheit gehen sollte.
Ich weiß nur – heute und im Rückblick – wie ich sie besser für mich nutzen hätte können.
Ich hätte sie intensiver als Stätte der „Entwicklung“ wahrnehmen müssen, anstatt als Stätte der Befriedigung meiner Noten-Geilheit. So wie ich heute lieber auf meine Entwicklung als Volleyballer und Mensch schaue, als auf zählbaren Erfolg wie Medaillen oder Geld. Als Ort, an dem ich an mir arbeiten kann in verschiedensten Formen und Bereichen. Der Satz „Man lernt nicht für die Schule sondern fürs Leben“ enthält – so abgedroschen er auch sein mag – im Groben eigentlich genau das, worauf ich hinauswill.
Ich hätte aber auch mit größerer „Offenheit“ den Schulalltag bewältigen sollen, und nicht mit meinen angelegten Scheuklappen. So wie ich heute versuche, durch offenes Verhalten gegenüber Mitmenschen (was mir nach wie vor sehr schwer fällt) oder Neuem jeglicher Art, Personen kennenzulernen, die mich vom Hocker hauen und Input zu bekommen, der mich ungemein weiterbringt, was mir beides auch immer wieder mal gelingt. Ich weiß noch, als mir in der siebten Klasse mal einige meiner Mitschüler mitteilten, dass ich mit Abstand derjenige wäre, den sie am allerwenigsten kennen würden. Ich verstand zwar schon damals, warum sie das sagten, doch im Endeffekt war es mir egal. Wenn ich jetzt zurückdenke, wie viele tolle und interessante Menschen in meinem Jahrgang dabei waren, dann bedaure ich, dass ich von Offenheit damals noch nicht viel verstand.
Und vor allem hätte ich gut daran getan, mich schon damals ab und zu auf ein Meditationskissen zu setzen, um zu lernen, was heute nur noch sehr wenige Menschen können. Zu lernen, im „Jetzt“ zu sein. So wie ich heute im Volleyball versuche, wenn negative Gedanken aufziehen, mir bewusst zu werden, dass ich doch besser daran tue, das Spiel zu genießen, anstatt an das „Was wäre wenn“ zu denken. So wie ich heute versuche, Schönheit in Kleinigkeiten des Alltags zu finden und voll in diesen aufzugehen, anstatt wie früher immer nur an die Folgen meiner Aktionen in der Zukunft zu denken. Ich bin mir sicher, ich hätte so auch mal den begonnenen Roman im Deutsch-Unterricht in die folgende Mathematikstunde mitgenommen, um aus Neugier und Aufgehen in der Geschichte darin weiterzulesen, trotz des dafür drohenden Mitarbeits-Minus.
Zwei Konstanten:
Ich will mit diesem Text so wenig wie möglich belehren oder den heutigen Schülern Tipps geben. Ich weiß, wie wenig das damals auf mich gewirkt hätte. Ich wollte anfangs eigentlich gar nichts, als ein bisschen über mein Leben und die Schule schreiben.
Jetzt trete ich einen Schritt zurück, nehme Abstand, schaue, wo ich angelangt bin und wundere mich, wie ich hier her kam, wohin ich mich treiben ließ.
Ich denke, dass mein bisheriges Leben vor allem aus zwei Konstanten bestand und besteht. Erstens, aus dem Willen, ständig an mir zu arbeiten und mich zu entwickeln. Und zweitens aus dem Sich-Treiben-Lassen, ohne klar abgesteckte Zukunft aber mit Vertrauen darauf, dass es eine gute wird.
Genau so vertraue ich auch jetzt darauf, dass der eine oder andere mit meinen Worten etwas anfangen kann. Es würde mich freuen, wenn es so wäre.
Und es würde mich ebenso freuen, wenn Sie, liebe Frau Professor Riess, mir die nach wie vor nicht beherrschte Beistrich-Setzung verzeihen!!!