Sprayerängste
Da stehe ich wieder: mitten in der Nacht vor einer spießigen weißen Wand, die nur darauf wartet, von mir besprüht zu werden.
Aber heute ist etwas anders. Schon seit zehn unendlich langen Minuten starre ich in das Weiß, ohne etwas zu sprühen. Ohne auch nur im Geringsten zu wissen, was für ein Graffiti ich machen sollte.
Hätte ich daheim nur einen Sketch gemacht!!! Verdammt!
Sonst schau ich mir eine Fläche an und mein Kopf füllt sich mit Ideen. Aber heute ist einfach nichts los in meinem Oberstübchen.
Mir passiert gerade das Schrecklichste, das einem Sprayer überhaupt passieren kann. Das ist noch schlimmer, als gedisst, gecrosst oder sogar von der Polizei geschnappt zu werden.
Habe ich wirklich meine Kreativität verloren?
So hat es keinen Sinn weiterzumachen. Ich sollte nach Hause gehen.
„Wo sind denn alle meine Kunstwerke?!“, muss ich mich fragen, als ich vor meinem Haus stehe, das mir langweilig weiß entgegenleuchtet. All meine farbenfrohen Graffitis weg!!!
Alles weg, weg aus dem Kopf, weg von der Wand, weg! Was ist das?
Bin ich ein Sprayer, war ich je einer? Wer bin ich? Hilfe!
Da wache ich auf. War es nur ein Traum oder doch schon eine Vorahnung?
Muss ich mich in Zukunft mit weißen Flächen anfreunden? Mit dieser öden Zimmerdecke über mir?
Ach, da fällt mir ein, ich könnte ja einmal ein Graffito mit besonderen Highlights ausprobieren…..
Bericht von: Elisabeth Mühllechner; 3E